
Fluchtweg oder Verbindungskanal?
A Viecherei war’s auf jeden Fall

Hängendes Museum im Lötschmüllerhof © Maier Sepp
Er hätte mich fast erledigt, der Tunnel, bis mir ein Bekannter gegen meine furchtbaren Kreuzschmerzen eine gegerbte Schafwolldecke empfohlen hat. Ich denk beinahe jeden Tag voller Dankbarkeit daran, denn seitdem hab ich nie mehr Kreuzweh gehabt. Aber das war auch wirklich eine Mordsviecherei damals, als ich Ende 1993 angefangen habe, den Tunnel hier unter dem Hof freizulegen.
Der Lötschmüllerhof war ja mein Elternhaus, und schon als Kinder haben wir unten im Keller in einem kleinen Teil des Tunnels gespielt. Der Rest war verschüttet. Vielen hier aus dem Ort war der unterirdische Gang noch aus Erzählungen und alten Schriften in Erinnerung, aber keiner kannte den genauen Verlauf. Vermutet wurde unter dem Hof ein Flucht- oder Verbindungsweg zu den Nachbargebäuden. Denn der Hof beherbergte einst die sogenannte Seeburg, zuerst ein Erholungsheim für Mönche aus dem Kloster Ettal und später eine Ritterakademie. Viele Jahre nach der Säkularisation hat mein Urgroßvater das Anwesen dann 1840 erworben, da war es schon ziemlich baufällig. Und ich wollte das dann einfach wissen und hab losgelegt …
Kübel um Kübel hab ich den Tunnel über mehr als zwei Jahre freigelegt. Und seitdem ist auch klar, was es mit dem siebzig Meter langen und nur 1,40 Meter hohen Tunnel auf sich hat: Er war ein Verbindungskanal vom Oberen See, der ja nicht mehr existiert, zum Unteren See in Bayersoien und leitete den Wasserverlauf unter der Seeburg hindurch. Ich glaube ja, dass dieser Kanal von See zu See für die Gäste der Seeburg ein für die damalige Zeit ganz modernes Plumpsklo mit Wasserspülung war. Owi und aussi. Aber das erzähl ich meinen Gästen, die ich durch den Tunnel führe, nur mit einem Augenzwinkern, denn sie haben auch so schon genug zu tun mit der Enge unten im Tunnel, mit der geringen Höhe oder mit ihren Knien und Hüften, schließlich kann man durch den Tunnel nur in gebückter Haltung und mit Helm gehen.
Aber wer den schmalen Weg bis zum Wasserrad am Ende auf sich genommen hat, der darf sich dann erfreuen an den vielen Gegenständen, die ich in meinem Museum ausgestellt habe. Es ist das „1. Landwirtschaftliche hängende Museum“. Hier hab ich in den letzten rund zwanzig Jahren Raritäten aus 150 Jahren gesammelt.
Und als es immer mehr wurden – von alten Wagenrädern über eine Lederpresse, altes Käsemacherwerkzeug, die erste Waschmaschine hier auf dem Hof oder eine Wurstspritze – und ich kaum mehr Platz dafür hatte, da hatte ich die Idee, alles aufzuhängen, bis meine Frau schließlich einen Riegel vorgeschoben hat und ich ihr versprechen musste, dass nun Schluss ist. Aber sie hat ja auch recht. Sonst hätte ich noch eine weitere Scheune mit Hängevorrichtungen bauen müssen … Und was mit all den Schätzen einmal werden soll, weiß ich auch noch nicht, aber irgendwer wird sich schon dafür begeistern …